Bürgerforum zu den Bahn- Bauarbeiten im Knoten Neubrandenburg
90 überwiegend ältere Bürger, darunter viele Pendler, Eisenbahner, ein Rollstuhlfahrer, Neubrandenburger Stadtvertreter Björn Bromberger(CDU), Marcel Spittel (Grüne) und CDU Bürgermeisterkandidat Frank Benischke kamen zum DB- Bürgerforum „ Bauarbeiten im Knoten Neubrandenburg “. Die Deutsche Bahn informierte im Seminarraum der Regionalbibliothek Neubrandenburg über die Bauarbeiten in unserer Region und stellte sich den Fragen der Öffentlichkeit. Der Veranstaltungsbeginn war für den 28.02.2025 auf exakt 16:15 Uhr festgesetzt, doch nach einem Jahr ohne Neubrandenburger Bahnverkehr verspätete man sich erneut. Die Gründe dafür mögen gewichtig gewesen sein, lagen jedoch für die anwesenden Pendler und Bahnfahrer im Dunklen.
Um 16:30 Uhr eröffnete Alexander Kaczmarek (DB-Konzernbevollmächtigter für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern) das Bürgerforum“Bauarbeiten im Knoten Neubrandenburg“. Im ersten Step stellte der Konzernbevollmächtigte seine anwesenden Kolleginnen und Kollegen vor: Frau Daniela Schäfer (Baumanagement Nordost für Bahnhöfe), Frau Lischke (Großprojekte/ Infrastrukturprojekte) und Herr Ahrens (Projektleiter).
Herr Kaczmarek entschuldigte sich bei den anwesenden Bürgern und Bahnkunden für 1 Jahr Schienenersatzverkehr. Er sagte, dass die Planung, Realisierung und Abnahmeprüfung durch diverse Verzögerungen die Deutsche Bahn in der Summe aus ihrem gesamten Zeitplan warfen. Der Bahn fehlen vom Eisenbahnbundesamt zertifizierte Abnahmeprüfer, denn bei Deutschlandweit 1400 Bau-& Planungsobjekten sind diese Abnahmeprüfer praktisch ausgebucht. Nach Verzögerungen und Rückschlägen war man baulich fertig, doch der Bahn fehlte nun ein vom Eisenbahnbundesamt zertifizierter Abnahmeprüfer….
Frau Lischke erklärte dann worum es bei den komplexen Baumaßnahmen ging und wo die Bahn „hängen blieb“. Ein erklärendes Bild mit der West-Ost- Achse (Malchin-NB-Pasewalk-Stettin) und Nord-Süd-Achse (Neustrelitz-Neubrandenburg-Demmin) wurde an die Wand projeziert. Seit 2007 wird das Kreuz Neubrandenburg großflächig umgebaut, am 25.03.2025 erfolgte die Sperrung der Nordbahn. In Burg Stargard befindet sich die Zentrale der elektronischen Stellwerke.
Herr Ahrens erläuterte die konkreten Umbauarbeiten am Neubrandenburger Bahnhof. Insgesamt wurden 60 Signale und 40 Weichen neu gebaut und 20km Kabel verlegt. Elektronische Stellwerke entstanden in Neubrandenburg, Burg Stargard und Sternfeld. Nunmehr befindet sich die Bahn in der Abnahmephase, am Ende stehen noch Testfahrten an. Am 1.4.2025 sollen wieder Züge fahren.
Daniela Schäfer: Die Baumaßnahmen in Neubrandenburg waren von 2020 bis 2024 geplant. In der Regel werden 7-8 Jahre vom Start eines Projektes bis zum Bau veranschlagt.
Ein Pendler fragte: „Wenn später das Bahnhofsumfeld und der Bahnhof in Burg Stargard saniert werden, ist die Strecke dann wieder tot?“ Antwort von Frau Schäfer: „Auf keinen Fall so lange“.
Viertorestadt.de erfuhr im späteren Gespräch, dass die zukünftigen Baumaßnahmen in Burg Stargard besonders von der baulichen Gestaltung des Bahnüberganges beeinflusst werden. Für einen stetigen Verkehrsfluss des Bahnverkehrs wäre eine Straßenunterführung nötig…. doch in Burg Stargard ? Wer würde das bezahlen?
A.Kaczmarek : „Die Infrastruktur von Bahnsteigen ist im Reichssystem der Deutschen Bahn festgelegt- 4 Wagen, länger soll der Bahnsteig nicht sein, ansonsten muss das Land die Mehrkosten bezahlen. Ein ICE-Bahnsteig hat 400 Meter Bahnsteiglänge und mehr. Der Webfehler liegt eigentlich in der Bahnreform aus den Jahren 1993/94. Hinzu kommt ein Fluch der Regionalisierung. Ein ICE benötigt 76 cm hohe Bahnsteige. Einige Bundesländer wollen 55 cm Bahnsteighöhe haben und dann gibt es noch Bahnsteighöhen von 38 cm.“
Schäfer: „Einer der Mittelbahnsteige auf dem Neubrandenburger Bahnhof wird auf 215 Meter verlängert. Das entspricht dem mit dem Land abgestimmten Bahnsteiglängenkonzept. Wartung, Unterhaltung bezahlt das Land nicht, sondern die Bahn kommt dafür auf.“
Gunter Veit meldete sich zu Wort und erinnerte mit einem Schild an glorreiche Neubrandenburger Bahnhofszeiten: „Wann können wir mit der Bahnsteigverlängerung rechnen? Gibt es andere Möglichkeiten für den Fernverkehr?“
Antwort: „2028 sind die nächsten Bahnbaumaßnahmen von 2 Monaten geplant. Danach herrscht 2 Jahre Bauruhe. Der ICE-Bahnsteig kommt also im Jahre 2030.“
A.Kaczmarek: „Die Fahrgastzahlen im Fernverkehr sind mit dem 49 € – Deutschland- Ticket zusammengeschrumpft. Ein neuer ICE kostet 40 Millionen Euro. Der DB- Fernverkehr muss gucken, wo eine Streckenführung profitabel ist. Darum plant die Deutsche Bahn einen 2 Stunden ICE- Takt über die Vorpommern-Magistrale und bündelt mehrere touristische Zentren (Usedom, Rügen). Neubrandenburg liegt auch von der Strecke Berlin- Rostock aus gesehen, außerhalb in der Mitte.“
Ein Bahnfahrer, der die ganze Welt mit der Bahn bereiste, sagte: „Das Vorhaben in Neubrandenburg war dilettantisch- die Fehler liegen bei ihnen. Ist das etwa Ihr einziges Großprojekt?… So etwas hätte es nicht einmal in der DDR gegeben! International liegen wir mindestens 15 Jahre zurück.“
Ein Rollstuhlfahrer ließ seiner Empörung auf das Fehlen der Barrierefreiheit am Neubrandenburger Bahnhof seinen freien Lauf: “ Es kann nicht sein, dass ich es 2 Tage vorher anmelden muss, wenn ich mit der Bahn verreisen möchte!“ Eine passionierte Fahrradfahrerin forderte für den Schienenersatzverkehr ein Fahrradanhänger am Bus.
Viertorestadt.de fragte: „Was kostet ein ICE-Bahnsteig?“ Antwort: „Ein 400 Meter ICE-Bahnsteig kostet ab 4 Mio Euro aufwärts.“ A. Kaczmarek: „Selbst wenn ein Bahnsteig da ist, hält noch lange kein ICE.“
Frage aus dem Publikum: „Was sind die Streckenhöchstgeschwindigkeiten und was sind die angestrebten Bahnhofsdurchfahrtgeschwindigkeiten nach der Modernisierung?“
Antwort: „Die Bahnhofsdurchfahrtgeschwindigkeit liegt bei 60 km/h, die Streckenhöchstgeschwindigkeit beträgt 120 km/h.“
Frage: „Ist das richtig, dass es nur 7 Prüfer bei der Bahn gibt?“
Antwort: „Die Bahnstrecke darf erst in Betrieb gehen, wenn die Software im Testzentrum läuft. Danach wird die mängelfrei geprüfte Software in den Stellwerken ausgerollt und auch hier geprüft und mit Testfahrten abgeschlossen. Am 31.3.2025 will die Bahn die Abnahmeprüfung für das Kreuz Neubrandenburg erfolgreich abschließen.“
Zwei drei Fragen liefen immer wieder darauf hinaus, was denn passieren würde, wenn bei der Abnahme erneut Fehler entdeckt werden würden. Würde man dann wieder sehr lange auf die Prüfer warten müssen und der Bahnverkehr in Neubrandenburg immer noch nicht funktionieren? Auf eine konkrete Antwort ließ sich keiner festnageln. Da platzte einer Dame fast der Kragen und sie sagte in ruhigem Ton: “ Ganz ehrlich, wir werden verarscht!“ Interessant war auch die Erwähnung aus dem Publikum, ob es ein Projekt zur Anbindung der Kurve Lalendorf in Richtung Rostock gäbe. Alles in allem war der Abend höchst interessant. Es wurde sachlich diskutiert und seitens der Bahn nahm man Kritik der Bahnkunden entgegen, um Veränderungen anzustoßen. Gegen 18:20 Uhr endete das Bürgerforum. Anschließend konnte man eine gute halbe Stunde mit dem Bahnbevollmächtigten A. Kaczmakrek, Frau Schäfer, Frau Lischke und Herr Ahrens sprechen.
Unter dem Strich entscheiden Land und Bund mit unseren Steuergeldern, welche Bahninfrastruktur und wo gebaut wird. Das Oberzentrum Neubrandenburg hatte ein Jahr lang keinen Bahnverkehr. Personelle Konsequenzen für diese Fehlplanung und Abschaltung des Bahnverkehrs in Neubrandenburg gibt es nicht, weder bei der Bahn , noch bei der Landesregierung oder bei der Bundesregierung. Wer die Zeilen zwischen den Antworten richtig deutet, kommt zu dem Schluss, dass Neubrandenburg vom Bahn-Fernverkehr abgekoppelt wurde und vermutlich nie wieder ein ICE- Zug in Neubrandenburg halten wird. Dennoch: Neubrandenburger fahren gerne mit den Zügen der Bundesbahn… wenn sie dann auch fahren! Ab dem 1. April 2025 fahren und halten wieder die Regionalzüge der Bundesbahn in Neubrandenburg. Die Thematik des Neubrandenburger Geisterbahnhofes ist so brisant, dass sogar der Spiegel in seiner Ausgabe 11/2025 mit einem großen Artikel darüber berichtete.