Ein guter Schinken benötigt Zeit

Schinken kann man selber machen

All zu oft leben die Menschen viel zu schnell. Wir kaufen bequem im Supermarkt unsere Lebensmittel, bekommen alles, kaufen viel und essen schnell. Einen Schinken beim Sonntags-Frühstück auf ein frisches Brötchen zu legen und ihn zusammen mit einem 5-Minuten-Ei zu verspeisen, ist für viele Menschen ein geliebtes Ritual.

Irgendwann schmecken alle industriell gefertigte Schinken gleich- so kam in mir der Wunsch auf, einen Schinken selber zu machen. Im Vorfeld meiner Schinkenzubereitung informierte ich mich umfassend. Um es vorneweg zu sagen: alle Experten aus dem Internet, Köche oder Freunde wissen es immer besser, wie ein perfekter Schinken gemacht werden muss. Es gibt sehr viele Wege und Möglichkeiten zum guten Schinken- fangen wir einfach an!

Am Anfang steht immer gutes Stück Fleisch und ein Tier, dass aufgezogen und geschlachtet werden muss. Schon hier machen viele den großen Fehler, Hormonfleisch aus der industriellen Mast zu kaufen. Nein! Für unser Schinkenfleisch suchen wir den Metzger unseres Vertrauens auf, oder noch besser: Ein gutes Stück aus der Hausschlachtung ist das Maß unserer Dinge.

Es gibt verschiedene Schinkenfleischarten- Nuss, Bauch, Filet, Lachs… im Grunde genommen geht jedoch jedes Stück Fleisch. Ich empfehle ein durchwachsenes Stück, denn Fett nimmt den Geschmack von Salz, Kräutern und Rauch intensiv auf. Zwei Sachen sind beim Herstellungsprozess von immenser Bedeutung: Hygiene und Kühlkette!

Das Fleisch wird gewaschen, von groben Fettstücken, Haut und Sehnen befreit und anschließend portioniert und abgewogen. Machen Sie den Schinken nicht zu klein- ideal sind um die 700- 1200 Gramm.

Anschließend bereiten wir die Gewürz- und Pökelmischung vor. Was Sie, lieber Leser, als Zutaten am besten finden, das entscheidet am Ende Ihr persönlicher Geschmack- sie können also nach Lust und Laune erheblich von den allgemeinen Rezeptvorschlägen abweichen. Was strikt eingehalten werden muss: Pro Kilogramm Fleisch werden 50 Gramm Pökelsalz benötigt- für Leute, die den Dreisatz beherrschen, ist das rechnerisch kein Kopfproblem. Für all diejenigen, die es nie gelernt haben, oder die zu bequem sind , oder die den Rechner auf ihrem Handy ausprobieren wollen, habe ich die entsprechende Formel umgestellt: Fleischgewicht in Gramm x 0,05= erforderliche Salzmenge. Die Menge ist verschwindend klein. Die erforderliche Pökelsalzmenge füllen wir erst mal in ein kleines Schälchen. Viele werden nun aufschreien und sagen: Nitropökelsalz ist doch krebserregend!… wenn Sie dieser Meinung sind, können Sie auch normales Salz, am besten Meersalz verwenden. Die Unterschiede sind, bis auf die Fleischrötung, nur mariginal…. und dennoch irren sich unsere Metzger nicht- ihre Schinken- Rezepte mit Pökelsalz wurden über mehrere Generationen weiter getragen. Es ist eine Glaubensfrage und so lange Sie den mit Pökelsalz behandelten Schinken nicht braten, ist Angst vor Krebs irrelevant.

Das Salz (Pökelsalz oder Meersalz) ist nunmehr im Schälchen. Hinzu kommt unsere Gewürzmischung. Erlaubt ist alles, was Ihnen schmeckt und weggelassen wird das, was sie nicht mögen: Wacholderbeeren, Pfeffer, Loorbeerblätter, Thymian, Bohnenkraut oder Liebstöckel. Jetzt kommt alles in Omas guten alten Mörser und wird in Ruhe zerstampft. Benutzen Sie auf keinen Fall einen elektrischen Zerkleinerer- es lohnt sich nicht und es kommt auch nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Mit einem Mörser erleben unsere Sinne die Kraft der zerstampften Zutaten. Gemörserte Wacholderbeeren verbreiten einen intensiven Duft, so dass dem feinfühligen Koch schnell klar wird: weniger ist viel mehr! Es reichen tatsächlich 2 gut gemörserte Wacholderbeeren pro Schinken! Was richtig Mühe und Geduld am Mörser erfordert, das ist das Loorbeerblatt ( maximal 1 Blatt pro Schinken!). Auch Pfefferkörner können gemörsert werden- einfacher geht’s natürlich mit einer Pfeffermühle. Alles ( und natürlich die Zutaten, die Sie bevorzugen) kommt in das Schälchen mit unserem portionierten Salz. Dazu kommt ein Teelöffel Puderzucker. Der Zucker vollendet im Reifeprozess die Durchrötung unseres Schinkens. Gut vermengt, kommt unsere Pökelspezialmischung danach in eine Panierschale. Nun wird das Fleisch in der Schale an allen Stellen mit der Gewürzmischung einmassiert. Achten sie auf Spalten und füllen Sie auch dort die Mischung ein. Spätestens an dieser Stelle lieben wir ihn, unseren ersten Schinken; unsere Vorfreude wächst ins Unermessliche.

Der folgende Arbeitsschritt lautet: Einvakuumieren. In normalen Haushalten existieren häufig Balkenvakuumierer. Wenn Sie noch keinen in Ihrer Küche haben- die 20-100 € (je nach Modell)sind sehr gut investiert! Metzger benutzen Kammer-Vakuumierer. Sehr gut ausgestattete Privathaushalte haben in Ihrer Küche praktische Vakuumierschubladen verbaut. Preislich ist der Unterschied zwischen Balken- & Kammervakuumierer exorbitant- für den Otto-Normalverbraucher genügen selbstverständlich Balkenvakuumierer! Doch hat Ihre Frau erst mal den großen Unterschied erlebt und gesehen, so wird sie bei der nächsten Küchenplanung auf eine Vakuumierschublade bestehen! Eine Siemens Vakuumierschublade erzeugt z.B. 99,99% Vakuum- das genügt in der Praxis jedem Labor! Der Unterschied ist gewaltig und man sieht es ganz einfach: Flüssiggkeiten fangen mitten im Vakuumierprozess an, zu sieden, denn je geringer der Luftdruck, um so früher der Siedepunkt des Wassers. Ein weiterer Unterschied zwischen den Vakuumierern sind die zu verwendenden Tüten (Balkenvakuumierer= geriffelte Tüten, Kammervakuumierer=glatte Tüten) und sie unterscheiden sich deutlich, was die maximale Größe des zu vakuumierenden Gutes betrifft. Vakuumieren wird in deutschen Haushalten zum Haltbarmachen von Lebensmitteln immer beliebter- ob Suppen, Fleisch, Brotwaren oder Gemüse- alles geht und alles ist erlaubt.

Doch zurück zu unserem Schinken! Der kommt in die Tüte. Unsere restliche Pökelsalzmischung kippen wir dazu. Dann wird vakuumiert! Vergessen Sie nicht, den Schinken bzw. die Tüte zu beschriften! Das hat zwei Gründe: Der erste ist, falls Sie mehrere Schinken machen, die Unterscheidbarkeit. Der Zweite Grund: Unser Schinken soll alle 2 Tage gedreht werden, so dass Sie schnell einschätzen und es sich auch merken können, ob vorgestern die Schrift oben oder unten war….

Unser Schinken kommt nun für 3 Wochen in den Kühlschrank und wird alle 2 Tage gewendet. Pro Zentimeter Fleischdicke wird 1 Tag veranschlagt. Die Mindestpökelzeit des Schinkens beträgt 9 Tage. Da wir uns strikt an die vorgegebene Salzmenge gehalten haben, brauchen wir auch keine Angst haben, falls unser Schinken viel länger liegt. Auch wenn es 2 Monate werden, ist es gar nicht so schlimm, denn eine Übersalzung mit unserer Vakuumiermethode ist nicht möglich. Nach ungefähr 3-4 Wochen bekommen wir Gewissheit- wir schneiden die Tüte auf und riechen am gepökelten Schinkenfleisch. Das Einzige, was riechen darf, sind die Gewürze, ansonsten riecht man nichts! Keine Angst, auch Ihr Schinken, lieber Leser, wird gut sein. Falls das Fleisch verdorben riecht, ist alles verloren und der missratene Schinken muss entsorgt werden!Wir packen unseren Schinken aus und waschen ihn unter fließend kaltem Wasser gründlich ab(die Spalten nicht vergessen!). Anschließend wässern wir unseren Schinken zwischen zwei Stunden und zwei Tagen. Zur Hälfte der Zeit tauschen wir das Wasser aus. Mit dem Wässern werden oberflächige Salzreste und Schwebeteile entzogen. Falls Sie nicht wässern, wird Ihr Schinken vermutlich zu salzig schmecken! Nach spätestens zwei Tagen kommt der Schinken aus dem Wasser, wird erneut gereinigt und mit Küchenpapier peniebel trocken getupft. Unser Schinken muss anschließend luftgetrocknet werden. Profis benutzen dafür einen Reifeschrank, der im kühlen Keller steht. Sie können den Rohschinken auch in einen Organzabeutel oder Damenstrumpf in den Keller hängen- doch Achtung: Die Fliege ist der größte Feind unseres schönen Schinkens. Legt sie ein Ei, ist der Schinken verloren. Mangels Platz und Möglichkeiten funktioniert das Trocknen jedoch auch im Kühlschrank: Der Schinken kommt in ein Behältnis mit Siebboden ( zum abtropfen der auslaufenden Flüssigkeiten), Handtuch drüber… und rein in die Kühlung. Beim Trocknungsvorgang brennt der Schinken durch- es findet im gesamten Fleisch ein Salzausgleich, Gewürzausgleich und schöne Umrötung statt. Für das Durchbrennen veranschlagt man mindestens 4-5 Tage, oder Pi mal Daumen die Hälfte der vorangegangenen Pökelzeit. Der Schinken muss trocken sein, bevor unsere Kalträucher-Vorbereitungen beginnen.

Sie können sich einen teuren Räucherofen kaufen, aber theoretisch funktioniert das Kalträuchern in jedem Schuhkarton mit angeschlossenen Kaltrauchgenerator. Vielleicht haben Sie einen Bekannten oder Freund mit Räucherofen- fürs erste mal wäre das ideal. So kriegt man zugleich den einen oder anderen Tipp und vervollkomnet zugleich seine eigene „Räucherexpertise“ . Wichtig sind die Außentemperaturen, denn beim Kalträuchern sollten nie 15-25 Grad überschritten werden. Das ist auch der Grund, warum vorwiegend im Herbst geräuchert wird.

Zurück zum Räucherofen, zur Hygiene und zum Geschmack. Brennen Sie den Räucherofen aus hygienischen Gründen vor dem Räuchern gründlich aus. Falls vorher im Ofen Fisch geräuchert wurde, ist das unbedingt erforderlich, sonst schmeckt der Schinken später nach Fisch!

Die Räucherschnecke wird mit feinen Buchenspänen gefüllt, am Ende entzündet und der Ofen erst mal verschlossen. Nach wenigen Minuten füllt sich der Ofen mit Rauch.

Dann wird der geschlaufte Schinken in den Räucherofen gehängt. Das Fleisch darf nichts berühren. Tipp: Je größer die Differenz des Ofeninneren zur Außentemperatur ist, um so mehr Kondenzwasser entsteht. Um entstehendes Kondenzwasser elegant aufzufangen, schieben wir einfach ein Stück Pappe ins obere Räucherfach. Die Pappe bindet enorm viel Feuchtigkeit. Tropft zu viel Kondenzwasser, entstehen schwarze Streifen , das Fleisch verdirbt oder schmeckt im besten Fall säuerlich.

Je nach Räucherschnecke und Material räuchert unser Ofen zwischen 6-14 Stunden vor sich her.

Nach dem Räuchergang legen wir den nun duftenden Schinken zurück in die Sieb-Dose und lassen den Schinken 12- 36 Stunden im Kühlschrank reifen. Der Räuchergang wird wiederholt und erneut lassen wir den Schinken danach im Kühlschrank reifen. Das herrliche Schinkenaroma füllt mit der Zeit den gesamten Kühlschrank. Am liebsten würde man sich sofort ein Stück abschneiden- doch Geduld, ein guter Schinken benötigt seine Zeit! Wie viele Räuchergänge von Nöten sind, entscheidet die Fleischgröße und halt der persönliche Geschmack- probieren geht über studieren. Bei meinem ersten Räucherprojekt entschied ich mich für 3 Räuchergänge. Wenn die Räucherschnecke gut 10 Stunden brennt, sind jedoch 2 Räuchergänge völlig ausreichend. Nach dem räuchern und vor dem anschneiden sollte unser Schinken noch mindestens einen Tag reifen.

Dann ist der große Augenblick gekommen: Unser Schinkenanschnitt… und die Frage, wo schneide ich den Schinken an; in der Mitte oder am Ende? Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Mit Bestimmtheit kann ich aber sagen, dass der leckere Schinken schneller aufgezehrt sein wird, als dass ein neuer geräuchert werden kann. Der Genuss nach 2 Monaten „Arbeit“ ist unvergleichlich anders, als ein schnell gekaufter, eingeschweißter und mit Geschmacksverstärkern gespritzter Formatschinken aus dem Supermarkt suggerieren kann.

Unsere Ehrfurcht vor hochwertigen Lebensmitteln und deren Erzeugern- vom Bauern bis hin zum Metzger – wird nach unserem ersten selbst gemachten Schinken viel achtsamer sein.