Heute back ich, morgen brau ich...

Wir backen ein
Roggenmischbrot

Ein gutes und schmackhaftes Brot backen zu wollen bedeutet, dass wir uns im Vorfeld mit Zutaten, Mehlarten, Mahlgraden, Teigführung, Gehzeiten, Backöfen, Backsteinen, Sauerteigarten, Knettechniken und Rezepten beschäftigen müssen. Anfänglich finden wir auf viele unserer Fragen im Internet gute Antworten, Lösungen, ja sogar buchbare Onlineseminare mit Bäckermeistern.

Wer tiefgründig ein Brot backen will, der taucht irgendwann unweigerlich in unsere überlieferte Märchenwelt ein, denn schließlich schrieben die Gebrüder Grimm schon im Jahre 1812 in ihrer 1. Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen: Heute back ich, Morgen brau ich, Übermorgen hol ich der Königin ihr Kind; Ach, wie gut ist, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß….

Bäcker und Brauer haben in ihren Produkten ( Brot und Bier ) mit Getreide, Hefe und Wasser gemeinsame Ausgangsstoffe aber auch gemeinsame Begehrlichkeiten. So wurde im Münchner Bäcker- und Brauereistreit von 1481 darum gestritten, ob die Bäcker die beim brauen entstehende Überschusshefe nach altem Brauch dem Bierbrauer zwingend abkaufen müssen. Wenden wir uns vor dem backen unseres Brotes zu erst den Getreidesorten zu- Roggen, Gerste, Dinkel und Weizen. Fast 1200 Jahre war Roggen in deutschen Landen das vorherrschende Brotgetreide. Roggen ist beim Anbau genügsamer als Weizen, ist jedoch langstrohiger. Roggen hat im Anbau einen weiteren großen Vorteil: er ist verträglicher in der Fruchtfolge und kann theoretisch bis zu 3x hintereinander auf dem selben Feld angebaut werden. In Deutschland werden heute um die 60 Roggensorten angebaut. Gerste ist dagegen ein ideales Braugetreide, welches weniger zum backen taugt. Dinkel enthält deutlich mehr Ballaststoffe, Proteine, Vitamine und Mineralstoffe als Weizen und könnte eine gesündere Ernährungsoption sein. Weder Dinkel noch Weizen enthalten Zucker, jedoch viel Eiweiß und Kohlenhydrate, die bei Verzehr im Körper in Zucker umgewandelt werden- der Blutzuckerspiegel steigt bei Dinkel sogar mehr. In Bezug auf Glutenunverträglichkeit kann man nicht behaupten, Dinkel oder Weizen sei gesünder…. für eine ausgewogene Ernährung ist die Mehlart/Type entscheidend( dazu später). Weizen eignet sich gleichermaßen fürs Backen oder Bierbrauen und ist wegen seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten eine begehrte und sehr wertvolle Getreidesorte…. so gesehen, zielte die vom bayrischen Herzog Wilhelm IV. verfügte Landesverordnung ( das Bierbrau- Reinheitsgebot von 1516 : „Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stückh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn”) vermutlich auch auch darauf ab, knappe Weizenvorräte als wertvolles Brotgetreide zu erhalten. Bierhistoriker verweisen auch auf einen wirtschaftlichen Aspekt: Die Wittelsbacher stärkten mit dem Reinheitsgebot ihr Monopol der eigenen „weißen“ Brauhäuser, in denen Weißbier aus Weizen gebraut wurde.

Der Hauptbestandteil eines Brotes ist immer Getreidemehl, welches aus Getreidekörnern gemahlen wird. Der Laie wird garantiert völlig überfordert vor dem Supermarktregal stehen und rätseln, was er eigentlich will und braucht…. und was hat eigentlich die Typenbezeichnung Mehl Typ 405, Mehl Typ 550, Mehl Typ 630, Mehl Type 812, Mehl Type 997, Mehl Typ1050, Mehl Typ 1150 oder Mehl Typ 1700… zu bedeuten? Technisch einfach erklärt, entspricht diese Zahl dem Mineralanteil in Milligramm auf 100 Gramm Mehl. Im Labor wird eine Mehlprobe bei 900 Grad verglüht. Die entstehende Asche entspricht dem mineralischen Teil des Mehles. Je größer die Zahl, um so mehr mineralstoffreiche Schalenanteile enthält das Mehl. Mehl eines kleineren Typs enthält wiederum einen größeren Stärkeanteil und hat mehr lösliche Ballaststoffe. Für Kuchen und Gebäck wird häufig der Typ 1050 verwendet. Für unser Brot genügt Typ 550. So gesehen gibt es Weizenmehl, Roggenmehl, Dinkelmehl im jeweiligen Typengrad…. doch was ist nun eigentlich der Mahlgrad? Müller unterscheiden zwischen Schrot (gemahlene Teilchengröße 1400 µm- 250 µm), Grieß (Teilchengröße 160 und 710 μm), Dunst (Teilchengröße 150 bis 300 µm) und glattem Mehl.

Ein Getreidekorn besteht im wesentlichen aus 3 Teilen: der Randschicht (Kleie), dem fetthaltigen Keim und dem Endosperm (Hauptteil des Korns, welches dem Keimling als erste Nahrung dient).

Vollkornmehl- das sagt uns schon der Name- wird also aus dem ganzen Korn gemahlen. Alle Bestandteile des Korns verbleiben im Mehl. Auf Grund des sehr hohen Fettanteiles (Keim) kann dieses Mehl nicht lange gelagert werden, ansonsten wird es ranzig. Abhilfe schafft das sieben des Mahlgutes- Randschichten, Keime und Endosperm werden getrennt. Während Randschichten und Keime zu gehaltvollem Viehfutter verarbeitet werden, entsteht aus dem gemahlenen Endospermanteil das sogenannte Weißmehl. Egal, ob nun aus Roggen, Dinkel oder Weizen gewonnenes Weißmehl- dieses Mehl ist stets hell und hat im Gegensatz zum Vollkornmehl (bräunliche Färbung) eine sehr lange Haltbarkeitsdauer.

Kehren wir von unserem kurzen Ausflug aus der Geschichte des Bieres und den unterschiedlichen Getreidesorten zurück und schreiten nunmehr zur Praxis voran!

Heute backen wir ein Sauerteigbrot mit Körnern…. man nehme:

Backpapier, 1 Päckchen Ruf 0,7ml, 1 Würfel Hefe, 300 ml lauwarmes Wasser, ½ Teelöffel Salz, 1 gestrichenen Teelöffel Zucker, 350 g Roggenvollkornmehl, 250g Weizenmehl und ca. 70g Körnerallerlei (Sesam, Buchweizen, Sonnenblumen und Goldleinsamen).

Tags zuvor fangen wir schon mal mit dem Körnerallerlei an. Die Körner werden gewaschen und danach in lauwarmes Wasser zum aufquellen eingelegt. Am nächsten Morgen (nach ca.8-10 h) kommen die Körner aus dem Wasser und werden bis zum verrühren im Brotteig auf einem Teller angetrocknet. Vor der Teigzubereitung schalten wir unseren Ofen an und stellen eine Gehtemperatur von 50 Grad ein.

Roggenmehl (350 g) und Weizenmehl (250g) werden abgewogen und in die Rührschüssel geschüttet. In der Mitte formen wir im Mehl eine Mulde aus. Nun zerbröseln wir den Hefewürfel und legen die zerkleinerte Hefe hinein. Hinzu kommt der flüssige Sauerteig von Ruf. Sauerteig an sich verdient einer wissenschaftlichen Abhandlung, welche den Rahmen dieses Backberichtes sprengen würde. Jede Traditionsbäckerei, die nicht industrieell backt, nutzt ihren eigenen Sauerteig und erzeugt damit unverfälschliche Produkte. Die im Sauerteig enthaltenen Hefe- und Milchsäurebakterien geben dem Brot den Geschmack und verbessern maßgeblich die Verdaulichkeit und Haltbarkeit unseres Brotes. Ganz interessant: In Belgien gibt es sogar eine Sauerteigbibliothek. … Zurück zu unserem Brot! Anschließend werden 300 ml lauwarmes Wasser langsam eingeschlemmt. Optisch gut erkennbar, fängt es an, zu blubbern. Die Sauerteig und Milchsäurebakterien beginnen mit Ihrer Arbeit. Damit sich der Sauerteig aufteilen kann, wiegen wir ganz langsam den halbflüssigen Teig von der Mitte aus und geben in die Hefe- Maische nun die Körner hinzu. Dann geben einen gestrichenen Teelöffel Zucker und einen halben Teelöffel Salz an den Schüsselrand und beginnen zu kneten. Achtung: Zucker und Salz sollten nicht direkt in die Hefemaische geschüttet werden! Die Schüssel wird eine halbe Drehung bewegt und dabei etwas schräg hoch gehoben, damit das trockene Mehl von außen nachrutschen kann. Mit den Fingern wird die breiige Masse gehoben, die Schüssel gedreht und mit dem Handballen geknetet. Verzweifeln Sie nicht, geschätzter viertorestadt.de- Leser! Um eine schöne Struktur im Handknetverfahren zu erzielen, muss man lange, lange üben. Nach ca. 15 Minuten haben wir aus dem Mehl einen festen Teig geknetet. Wenn nichts mehr an der Hand klebt, ist der Teig gut und fertig geknetet. Haben wir nun gut oder schlecht geknetet? Die Antwort lautet: Um so besser man knetet, um so geschmeidiger wird unser Teig. Eine Knetalternative für den Laien, der noch nie ein Brot selbst gebacken hat, möchte ich an dieser Stelle erwähnen: Kenwood- Küchenmaschine, Kitchen Aid oder Thermomix erzielen perfekte Knetergebnisse und haben zusätzlich den Vorteil, dass man größere Mengen an Teig zu kneten kann.

Der geknetete Teig wird zu einem Laib geformt. Er kommt in keine Backform, denn bei einem Anteil von 60% Roggen und 40 % Weizen, wird das Roggenmischbrot immer frei geschoben! Unseren Teigling legen wir anschließend auf das mit Backpapier ausgelegte Ofenblech. Mit der Weile sollte unser Backofen die 50 Grad erreicht haben- damit unser Teigling nicht austrocknet, bedecken wir den Teigling mit einem Tuch und schieben alles für 30 Minuten in den Ofen. Das hier beschriebene Rezept ist auf Schnelligkeit ausgelegt. Grundsätzlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass lange Geh- und Ruhezeiten ein Brot besser bekömmlich machen. Bei der Temperatur scheiden sich ebenfalls die Geister, denn jenseits von 50- 60 Grad sterben alle Hefepilzkulturen. Wir regeln den Ofen also lieber auf 40 Grad hinunter und lassen unserem Brotlaib 40 Minuten Zeit zum gehen in der Backröhre. Jeder Ofen ist anders und hier scheidet sich der Weizen von der Spreu, oder anders gesprochen: Ein richtig guter Ofen erzeugt zehntelgenau auch wirklich die eingestellte Temperatur. Genau das ist der Punkt, dem Wunsch der Hausfrau oder des Hausmannes nachzugeben, endlich einen neuen Herd zu kaufen…. Sind die 40 Minuten um, nehmen wir das Brot aus dem Ofen und heizen den Backofen auf 225 Grad (Ober & Unterhitze). Bei einem guten Ofen sind 225 Grad nach ca. 15 Minuten erreicht. Inzwischen schneiden wir unseren aufgegangenen Teigling ein. Das Schnittmuster obliegt Ihnen – es sorgt dafür, dass die Brotkruste beim backen kontrolliert aufbricht und erzeugt einen optisch schönen Anblick. Nun wird unser Brot eingeschossen…. also es kommt ohne Tuch zurück in den sehr heißen Ofen. Zusätzlich stellen wir eine feuerfeste Schüssel/ Glas mit Wasser auf das Blech. Das verdunstende Wasser sorgt für eine schöne Kruste. Falls Sie mal in einer Bäckerei gucken dürfen, wie die Profis Brot backen, so wäre das die Stelle, an denen der Bäcker an seinem Backstubenofen die Dampfstoßtaste drückt…. und auch hier sei dem Hausfrauenwunsch nach einem neuen Herd hinzugefügt: Auch Backöfen mit Dampfstoßtechnik sind im Premiumsegment für den Hausgebrauch erhältlich. Dampf und die ersten sehr heißen Temperaturen sind entscheidend für eine schöne Krustenbildung. Tipp: Wenn man die Backofentür öffnet, sinkt die Temperatur rapide und wirkt somit beim einschießen des Brotes kontraproduktiv. Abhilfe schafft ein heißer Backstein ( der benötigt allerdings fast 45 Minuten, um die Wärme aufzunehmen). 15 Minuten 225 Grad… es wird Zeit, die Backofentemperatur auf 180 Grad herunter zu drehen. Nun backen wir das Brot 30 Minuten lang bei dieser Temperatur (180 Grad) aus. Im Inneren erreicht unser Brot eine Kerntemperatur von ungefähr 98 Grad, so dass alle Sauerteig- und Hefepilzbakterien ihre Arbeit einstellen. Nach insgesamt 45 Minuten Gesamtbackzeit (15 Min bei 225 Grad+ 30 Min 180 Grad) nehmen wir unser Brot aus dem Ofen. Ist unser Brot gut durchgebacken? Das kann man ganz einfach prüfen, indem man klopft. Wir klopfen auf die Brotunterseite und lauschen… wenn es hohl klingt, ist das Brot gut, wenn es fest klopft, ist das Brot innen noch klitschig. In diesem Fall kann man das Brot ruhig nochmals 10 Minuten in den Ofen zurück schieben. Damit es nicht verbrennt, schützen wir das Brot durch auflegen von Backpapier oder Alu-Folie.  Das fertig gebackene Brot lassen wir in Ruhe auf einem Gitter auskühlen. Geschmack und Krume entwickeln sich je nach Brotsorte erst nach Stunden oder sogar erst nach einem Tag. In unserem Fall- wir haben ein Mischbrot gebacken- sollten wir uns eine Stunde gedulden!

… dann kommt irgendwann der Moment, unser Brot aufzuschneiden. Das Brot wird stets in der Mitte aufgeschnitten. Leckerer Duft umströmt uns, wir begutachten mit Neugier und Stolz die Kruste und Krume unseres Brotes. Nachdem wir uns Scheiben abgeschnitten haben, können wir die zwei Brothälften zusammenschieben, so dass unser Brot immer frisch bleibt. Mit Butter und Salz wertschätzen wir unser Brot auf die einfachste Art. Man kann es allerdings auch wie viertorestadt.de machen: Backen Sie zusammen mit Freunden und backen Sie ruhig verschiedene Brote in unterschiedlichen Backöfen, so dass die Zeit bis zum Anschnitt schnell vergeht! Am Ende wartete die Verkostung der Brote mit einer hausgemachten Schlachteplatte bei einem kühlen Bier und mit vielen Geschichten. Beim gemütlichen Bier schließt sich gewissermaßen der Kreis: Heute back ich, Morgen brau ich….. In Deutschland gibt es schätzungsweise 3000 spezielle Brotsorten- Deutsches Brot ist unser Kulturgut und von unschätzbarem Wert. Verzagen Sie nicht, wenn Ihr selbst gebackenes Brot nicht sofort gelingt…. und vergleichen Sie doch mal Ihr Brot mit dem Werk eines kreativen Malers: Sein nächstes Bild (und unser nächstes Brot) wird immer besser sein, weil Erfahrung und Gefühl einfließen.