53 an der Zahl

Die Wieckhäuser

Bevor über diese kleinen Fachwerkbauten berichtet wird, möchte ich eine Frage in den Raum werfen: Wie ist eigentlich die korrekte Rechtschreibung? Wieckhaus, Wikhaus, Wiekhaus oder Wikhus? Es ist ein Wort, welches der Regelwut der Deutschen Rechtschreibreform getrotzt hat. Mit dem Bau der Stadtmauer wurden alle 30 Meter rechteckige, dreigeschossige, zur Stadtseite offene Wehrtürme- die Wieckhäuser eingefügt. Die insgesamt 53 Wieckhäuser (Oder waren es gar 56-57 Wieken? Zählt man erkennbare Mauerschlüsse mit, oder achtet auf offizielle Hausnummern, oder vergleicht die Angaben in Fachliteratur und Internet, kommt man auf recht unterschiedliche Ergebnisse!)dienten der Verteidigung. Ein ursprüngliches, 1913 komplett neu gebautes Wieckhaus , steht in der 1. Ringstraße. Die meisten Wieckhäuser waren 3-stöckig und zum Stadtinneren offen. Im Erdgeschoss lagerten Balken für mobile Wehrgänge, welche in vorgefertigten Löchern an der Mauer installiert wurden. So konnte die gesamte Mauer verteidigt werden.Unten lagerten ebenfalls Gerätschaften für die Feuerbekämpfung, welche bei den vielen Stadtbränden, denen Neubrandenburg oft erlag, genutzt wurden. Ins 1. Geschoss führte immer eine steinerne Treppe, die restlichen Etagen konnte die 10-köpfige Besatzung nur über Leitern erreichen. In der 2. Etage befanden sich Wachstube und Waffenkammer. Von ganz oben, gut 1 Meter über der Stadtmauerkrone, bearbeitete man aus Schießscharten die anstürmenden Gegner. Da alle Wieckhäuser rechteckig aus der Stadtmauer herausragten, hatten selbst Gegner am Fuße der Mauer schlechte Karten, weil sie aus den seitlichen Schießscharten bekämpft wurden. Doch nach dem Aufkommen von Feuerwaffen und Kanonen, was im 30ig- jährigen Krieg und durch Tillys Eroberung recht deutlich wurde, hatte die gesamte Stadtmauer mit den Wieckhäusern ihre Schutzfunktion verloren. Vereinzelt schon 1595 bewohnt, wurden deshalb ca. 30 Wehrtürme zu kleinen Fachwerkhäusern umgebaut: unten war ein Stall, darüber wurde ein spartanischer Wohnraum hergerichtet. Neubrandenburg wurde zum Ende des 2. Weltkrieges völlig zerstört und obwohl es immer heißt, dass die gesamte mittelalterliche Wehranlage verschont wurde, waren 1968 nur noch 7 Wieckhäuser erhalten. Es ist dem Steckenpferd des ehemaligen Oberbürgermeisters (im Amt von 1968-1990) Heinz Hahn zu verdanken, dass viele Wieckhäuser neu aufgebaut wurden: Die damaligen VEB- Betriebe erhielten den Auftrag, jeweils ein Wieckhaus zu errichten…. so habe auch ich vor vielen Jahren als Lehrling schwere Eichenbalken geschleppt. Die Wieckhäuser wurden von Betrieben, Vereinen, für gesellschaftliche Zwecke und für Feiern rege genutzt. Auf Grund der räumlichen Enge ist es schwer, die Wieckhäuser heute zu nutzen- Bauvorschriften, Rettungswege, behindertengerechter Zugang usw. erschweren eine Nutzung. Dennoch gibt es in vielen Wieckhäusern Gaststuben, Büros, Ferienwohnungen und sogar ein Märchenhaus für Kinder. Es findet sich also für jeden ein Grund, um ein Wieckhaus zu besichtigen.