Von Janssen & Bechly zum Vier Tore Bier

Auf Spurensuche nach dem Neubrandenburger Bier

Neubrandenburg war bis 1996 eine Stadt des Bieres. Schon 1839 gab es in Neubrandenburg 13 kleine Brauereien. Von 1869 bis 1912 produzierte die Brauerei Janssen in der Neubrandenburger Badstüberstraße bis zu 10.000 Hektoliter Bier pro Jahr. Die Brauerei Bechly befand sich damals in der Treptower Straße. Janssen und Bechly konkurrierten mit ihren Bieren, sogar unter den Schulkindern gab es Janssenier und Bechylaner. Während sich die Gründerväter noch als Konkurrenten sahen, gingen deren Kinder und Nachfolger einen gemeinsamen Weg: Ab Dezember 1912 nahm unterhalb des Datzeberges die größte regionale Brauerei – Janssen & Bechly- den Brauereibetrieb auf. Das Geschäft lief gut, so dass die Brauerei 1922 zur Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Jahresproduktion von Janssen & Bechly lag bei 60.000 Hektolitern Bier. Das Bier schmeckte und hatte einen sehr guten Ruf. Janssen & Bechly wurde sogar in Berlin am Kurfürstendamm, in der Deutschlandhalle und im Sportpalast gezapft. Nach dem 2. Weltkrieg sollte die Brauerei als Reparation demontiert & in die Sowjetunion verbracht werden. Es kam jedoch anders: Im Juni 1945 wurde in Neubrandenburg das erste Nachkriegsbier gebraut. Bauerei Janssen & Bechly, nach der Enteignung zum Getränkekombinat Neubrandenburg firmiert, erzeugte bekömmliche Biere, die weit über die Stadtgrenzen bekannt waren & gerne getrunken wurden. Peter Rothe, damals einer der größten Getreidehändler Deutschlands, nutzte mit dem Ende der Deutschen Teilung die Gunst der Stunde und erwarb das Getränkekombinat Neubrandenburg (im März 1991). Ob es nun um Schnapsbrennrechte oder den Erhalt der Neubrandenburger Brauerei ging- man weiß es nicht. Statt die 100 jährige Bier-Tradition erfolgreich weiter zu führen, standen plötzlich 31,5 Millionen DM Verlust in den Büchern, so dass die Treuhand unter dem Strich statt eines Verkaufserlöses sogar 4 Millionen DM Fördergeld drauf zahlte. Trotzdem ging die Nordbräu- Brauerei ohne Not im Jahre 1996 in Konkurs. Vorher wurden selbst die Bierrechte am „Nordbräu“- Bier an die Konkurrenz (Lübzer Brauerei) verhökert. Das denkmalgeschützte Brauereigebäude wurde Opfer von Immobilienspekulationen und in einer Nacht & Nebelaktion abgerissen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg und eine Anklage wegen Fördermittelbetruges verliefen im Sand; ein weiterer vermuteter Betrug bei den Verkäufen von Nordbräu- Grundstücken wurde später vom Neubrandenburger Amtsgericht als verjährt betrachtet und somit kein Hauptverfahren aufgenommen. Der Niedergang der Neubrandenburger Brauerei war ein typisches Beispiel für ein Totalversagen der Politik mit dem Summand des ehemaligen DDR-Biertrinkers, der seine Freiheit errungen hatte und nun erst einmal alle Biere, die jenseits der Elbe gebraut wurden, bevorzugte. Die gesamte Brauerei- Privatisierungswelle hatte zur Folge, dass in ganz Mecklenburg-Vorpommern sämtliche Brauereien von Großkonzernen geschluckt wurden. Seit dem, das munkeln eingefleischte Bier-Experten, schmecken die heimischen Biersorten irgendwie alle gleich. Nur die Stralsunder Brauerei blieb eigenständig und braut heute erfolgreich unter dem Segel des Piraten Störtebeker die besten Biere der Welt! Doch zurück nach Neubrandenburg, zu Bierberg, Hopfenburg, Dümperstraße, Brauereiviertel und dem Nordbräu-Bier!Wir tauchen mit unserer Wanderung in die Biergeschichte Neubrandenburgs ein und beginnen unsere Wanderung am ehemaligen Tiergesundheitsamt Neubrandenburg (1956 gebaut/gegründet). Der riesige Backsteinbau ist in einem trostlosen Zustand, bietet dafür zwischen verwitterten Fenstern, alten Fahnenträgern und Rosetten allerhand interessante Motive. Auf der anderen Straßenseite, neben dem LIDL, da stand die alte Brauerei. Wir überqueren also die B96 und begutachten den bewucherten Platz. 19xx tauchte der Schlussstein des Hauptgebäudes wieder auf- vielleicht finden auch wir noch einen alten Ziegelstein? Auf der Brache sollte früher oder später die geplante Umgehungsstraße für Neubrandenburg entlang führen. Weil jedoch das Bundesverkehrsministerium die Gelder strich, dümpelt die Brache nun vor sich her. Hinter dem LIDL entdeckt der Abenteurer ein altes Trafo- Haus, welches früher die Brauerei mit Strom versorgte. Die Gegend ist völlig vermüllt, doch ein Blick durch die aufgebrochenen Türen ist momentan noch gefahrlos möglich. Danach wandern wir zur B96 zurück, überqueren die Datze und folgen dem Hauptweg hinauf zum Datzeberg. Rechter Hand entdecken wir einen Seiteneingang zum Eiskeller. Er ist mit einer dicken Eisentür fest verschlossen. Dennoch versuchen viele, etwas zu entdecken und gucken in ein geheimnisvolles dunkles Loch. Mein Kumpel erzählte mir, dass er früher als Kind, wenn vergessen wurde, die Tür abzuschließen, des öfteren durch den Gang in den riesigen Eiskeller gelangte und dort spielte. Der riesige Raum wurde damals nicht mehr als Eiskeller, sondern als Lagerraum genutzt. Wir machen ein kleines Erinnerungsfoto, wandern gemütlich weiter und gelangen kurz darauf an eine Treppe. Wir steigen die Stufen hinauf und wählen einen schmalen Pfad, der rechts vor dem ersten Haus in den Wald führt. Wir wandern oberhalb des gerade begutachteten Eiskellereinganges noch ca. 200 Meter weiter und erblicken nun durchs Dickicht den Haupteingang des Eiskellers. Altes Mauerwerk und eine tiefe Schlucht wecken bei jedem den Entdeckerdrang. Vorsicht- es besteht Absturzgefahr! Hinzu kommt, dass der gesamte Waldboden mit Scherben diverser Bierflaschen aus verschiedensten Epochen übersät ist. Falls Sie diese Wanderung mit Ihrem Hund machen, sollten sie ihm unbedingt Schuhe auf die Pfoten ziehen oder nicht vom Wege abweichen. Wer sucht, der findet- ein „antiker“ Bügelverschluss als Andenken an unsere Wanderung sollten wir auf jeden Fall mitnehmen. Vielleicht haben wir auch großes Glück und finden einen Janssen & Bechly- Verschluss. Was wir garantiert hier nicht finden, sind die legendären Biermarken für Beschäftigte: So bekam z.B. ein Lehrling neben seinem schmalen Lohn zusätzlich 12 Biermarken, für die er pro Marke jeweils 4 Pils oder 2 gute Nordquell eintauschen konnte.

Da hier immer wieder Abenteurer versuchten, ins Eiskellergewölbe einzudringen, versiegelte die Stadt Neubrandenburg den Eingang aus Unfallschutzgründen. Auf dem Gelände der Brauerei gab es damals Teiche für die Eisgewinnung. Dazu wurde das Wasser der Datze temporär umgeleitet und nach einigen harten Frostnächten das entstandene Eis dann in Blöcke geschnitten. Bis in die 1950er Jahre wurde das im Winter geschnittene Eis zur natürlichen Kühlung der Bierfässer im besagten Eiskeller genutzt. Wir wandern den Weg weiter, am Hundesportverein vorbei, und gelangen am Fuße des Berges zur Datze. Wer diesen Kurzausflug mit seinem Hund macht, kann seinen Vierbeiner am Ufer der Datze auf einem eingezäunten, großzügigen Hundespielplatz freien Lauf lassen. Danach geht es parallel in Fließrichtung der Datze zurück zum Ausgangspunkt unserer „Bierwanderung“. Falls Sie, lieber Leser, mit dem Auto angereist sind, so müssen Sie anschließend in die Ihlenfelder Straße 118-132 fahren. Hier, in der ehemaligen Neuen Brauerei endet die Geschichte um den Hopfensaft aus Neubrandenburg. Viele Neubrandenburger Biertrinker hoffen bis heute, dass sich traditionsbewusste Investoren finden, die vielleicht irgendwann die Neubrandenburger Braukunst fortführen werden. Wer aufmerksam durch Neubrandenburg fährt, entdeckt immer mal wieder Spuren Neubrandenburger Brautradition. So findet man in der Pasewalker Straße/ Ecke Anklamer Straße vor der ehemaligen Gaststätte „Kieck In“ einen letztern steinernen Zeugen. Eingemeißelt auf einem Findling steht: Nordbräu Unser echtes Mecklenburger.

Neben dieser Halle standen 24 Meter hohe Reaktoren, in denen 600000 Hektoliter Bier nach neuesten Methoden gebraut wurden.

Auf dem  Neubrandenburger Neuen Friedof befindet sich die unter Denkmalschutz stehende Grabstätte der Familie Bechly.