150 Jahre Penzliner Bahnhof- eine historische Symbiose von Dampfmaschine, Modelleisenbahn und Mecklenburgischer Südbahn
An diesem Wochenende war es kalt, stürmisch und nass- klassisches englisches Fußballwetter oder besser gesagt: das perfekte Wetter für Modelleisenbahnbauer und Diavorträge.
Der Eisenbahnclub Neubrandenburg e.V. veranstaltete an diesem Wochenende zusammen mit dem Karow-Lübzer Modellbahnclub, den Warener Eisenbahnfreunden und dem Modellbahnclub Greifswald die alljährliche Modellbahnausstellung im Überregionalen Förderzentrum Neubrandenburg. Die Eintrittspreise waren moderat (6€ Erwachsene, 4€ Kinder), die aufgerufenen Preise für Speis und Trank waren richtig familienfreundlich: Kaffee kostete 1€, ein Stück selbst gebackener Kuchen kostete 1,50€ und für ein Paar Wiener Würstchen wurden 2,50 € verlangt. So fand jeder Besucher zwischen den verschiedenen Modellbahnanlagen, Fachgesprächen und seiner Suche an den Modellbahnverkaufsständen auch einen gemütlich- kulinarischen Ausgleich. Für Kinder standen überall kleine Hocker bereit, damit sie von ihrer erhöhten Standposition die riesigen Anlagen in ihrer Gänze erfassen konnten. Eine Bahnanlage mit Lok und Waggons, die die kleinsten Besucher selber steuern durften war heiß begehrt. Viel Liebe, Ideenreichtum und Enthusiasmus steckte in den vor Ort präsentierten Modellbahnanlagen. Ski-Langläufer im weißen Schnee, baggernde Kräne, blinkende Blaulichter, Schnellzüge, Gebirge, Wald und echte Dampflokomotiven entführten Opa, Vater, Mutter und Kind zwischen verschiedenen Spurweiten in eine Wunderwelt. So manch älterer Besucher erinnerte sich an seine alte TT oder H0- Bahn, die irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden noch liegen müsste… und so wird er vermutlich im Anblick der schönen Modellbahnausstellung in weihnachtlicher Vorfreude sein nie vollendetes Modellbahnprojekt zusammen mit seinem Kind oder Enkelkind endlich in die Tat umsetzen.
Schade, dass die Neubrandenburger Modellbahnausstellung nur Freitag und Sonnabend zu sehen war. Doch das hatte seine Gründe: die Oktoberferien sind nunmehr vorbei und Montag beginnt der Schulbetrieb wieder. So benötigten die Aussteller den Sonntag für den Abbau ihrer komplexen Anlagen. Die Warener Eisenbahnfreunde waren in der KÖS mit lokal nachempfundenen Strecken und Gebäuden präsent, doch an diesem Wochenende begleiteten sie ein weiteres Großereignis der Region: Eine Ausstellung in der Neuen Burg anlässlich des 150. Jahrestages des Penzliner Bahnhofes. Viele Modellbahn- Enthusiasten verbrachten somit den Sonnabend Vormittag in Neubrandenburg und pilgerten anschließend nach Penzlin.
Höhepunkt der Penzliner Ausstellung über den Bahnhof Penzlin und die Mecklenburger Südbahn war ein sonnabendlicher Vortrag von Peter Latzel. Herr Latzel, ein Penzliner Urgestein, lebt heute in Zella Mehlis. Er recherchierte viele Geschichten, Fakten und Begebenheiten entlang der Haltestellen der Mecklenburgischen Südbahn (MSB) und präsentierte einen überlangen Diavortrag. Das Interesse der Öffentlichkeit war riesig- gut 110 Besucher kamen, lauschten und staunten begeistert.
In Anwesenheit des Penzliner Bürgermeisters Flechner entführte Peter Latzel seine Zuschauer auf eine historische Bahnfahrt von Parchim nach Neubrandenburg. Der Vortrag begann mit einem Zitat des Professor Bömmel im Film Die Feuerzangenbowle „…
Aha, heute ham mer de Dampfmaschin. Wat
is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns mal janz dumm und
saren: En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch. Dat eine Loch, dat is de Feuerung. Und dat andere Loch, dat krieje mer später. …“
Baubeginn der Mecklenburgische Südbahn(MSB) war im August 1883. Gleise für 116,46 km Gesamtstrecke wurden verlegt, 12 Bahnhöfe, 10 Haltestellen und 1 Ladestelle wurden innerhalb von 1,5 Jahren gebaut. Das Bahnhofsgebäude Parchim wurde bereits 1879 errichtet, weshalb es manchmal unterschiedliche Kilometer- Angaben gibt. Am 20.01.1885 ging die MSB in Betrieb. Da der gesamte Vortrag von Herrn Latzel ein dickes Fachbuch ergeben würde, möchte viertorestadt.de, für Sie, verehrte Leserschaft, das gehörte in einer Art Steno- Form mit wichtigen Fakten wiedergeben.
Adler und Saxonia läuteten in Deutschland die Ära der Dampfloks ein. Die ersten MSB- Lokomotiven waren die Modelle T3 und T4 (bis ungefähr 1930 im Einsatz).
Die Strecke der Mecklenburger Südbahn (MSB) führte von Parchim über Rom( in Rom gibt es wieder eine Bahnhofsgaststätte), Lübz, Passow, Gallin (Gallin neben Penzlin.. Es gibt 3 Penzlin in Mecklenburg), Zarchlin, Karow( Eisenbahnknotenpunkt Südbahn), Alt Schwerin, Malchow (km 46,9), Nossentin(km 52,8), Jabel, Waren ( in Waren gab es damals noch kein Bahnbetriebswerk!!. Im Ort selber gab es eine andere Streckenführung als heute- sie führte direkt am Hafen entlang), Kargow (mit Stich zur Brennerei…auf dieser Strecke fuhren keine Loks, sondern Pferdefuhrwerke), Schwastorf (die Müllkippe brannte immer), Klein Plasten (Ein Erntebild wurde gezeigt- Landarbeiter standen immer gerade, Frauen mussten sich bei der Feldarbeit immer bücken), Kraase (1905 wurde ein Antrag für eine Strecke von Kraase nach Stavenhagen abgelehnt), Lehsten, Möllenhagen (im Möllenhagener Schotterwerk arbeiteten viele Penzliner Bürger), Marhin (Der Ort hatte im Laufe der Jahre unterschiedliche Schreibweisen!), Flotow (Geburtsort von Jost Reinhold- einem großzügigen Förderer, der von 1939 bis zum Kriegsende mit der MSB zum Neubrandenburger Gymnasium fuhr), Penzlin km 101,6 ( 2 Wasserkräne und ein 8 Kubikmeter Wasserturm).
1918 beantragte man eine 600 mm – Feldbahn von Penzlin nach Lapitz(Schienenfragmente liegen heute noch in Lapitz und auch eine Lore ist zu bestaunen). In Rahnenfelde war der Abzweig Puchow/ Lapitz. Die Loks der Feldbahnen nach Lapitz und Puchow fuhren mit Benzol ( Diese Fahrzeuge wurden vormals als Grubenlok und im 1.Weltkrieg als Militärlok genutzt).
Ab Lapitz wurden die Gleise händisch aufs Rübenfeld verlegt. Im nächsten Jahr (2026) wollen die Warener Eisenbahnfreunde anlässlich der 750 Jahrfeier ein Modell vom Puchower Bahnhof bauen.
Schmied und Stellmacher waren in Mecklenburg angesehene Handwerker. Sie bauten Feldbahn- Waggons(z.B. in Rostock) und reparierten vor Ort.
1912 wurde der Penzliner Bahnhof von 44 Achsen auf 66 Achsen erweitert. 1935 wurde das Penzliner Empfangsgebäude erweitert. Durch die Bahn blieb die Arbeit am Ort. „Es ist wichtig zu erinnern, dass die Bahn Wohlstand nach Penzlin brachte“, sagte Herr Latzel. Anschließend berichtete er über Penzlin: Molkerei, Technikum, Wallschlösschen, Baugeschäfte, Telegrafenamt und Bahn-Reisewerbung der 30er Jahre wurden thematisiert (viele Berliner kamen in die Sommerfrische nach Penzlin). Auf dem Bahnhofsvorplatz von Penzlin wurden im 1. Weltkrieg sogar Pferde gemustert. Da die Zeit schon zu später Stunde vorangeschritten war, wurden von Herrn Latzel nach einer kurzen Pause die letzten Stationen der Mecklenburger Südbahn- Mallin, Wulkenzin und Neubrandenburg- leider nur ganz kurz angerissen.
Ilse Melle, geborene Dürkop, wurde in einer Videobotschaft das letzte Wort erteilt. Sie erzählte, wie sie und andere Penzliner Schüler mit dem Zug ins Gymnasium nach Neubrandenburg fuhren. Im Winter 1944/45 mussten die Kinder häufig zu Fuß nach Penzlin zurück gehen, weil die Lokomotive für militärische Zwecke eingezogen wurde. Am Ende des Krieges verlor ihre Familie alles und so berichtete Frau Melle über ihr damaliges Flüchtlingsschicksal und ihren Treck nach Rostock. Die schöne Penzliner Kindheit war Vergangenheit.
Herr Latzel beendete seinen Vortrag über die Mecklenburger Südbahn und überreichte eine neue steinerne Erinnerungstafel, welche früher auf einem roten Stein die Erinnerung an die Mecklenburger Südbahn wach hielt. Stein und Tafel verschwanden vor einigen Jahren spurlos…. Vielleicht kennen Sie, verehrter viertorestadt- Leser, den damaligen Standort der Tafel oder können Sie Hinweise geben?
Ohne die Stadt Penzlin (Frau Krüger & Bürgermeister Flechner) und die Warener Eisenbahnfreunde e.V. wäre diese Veranstaltung nicht möglich gewesen… und so dankte Herr Latzel unter tosendem Zuschauer- Beifall allen involvierten Personen recht herzlich. Ob Herr Latzels geheimer Traum die legendäre Mecklenburger Südbahngeschichte aufleben lässt?… Irgendwann hält ein ICE im Penzliner Bahnhof ! Wichtig ist für Herrn Latzel jedoch, dass alte Geschichten, Fakten und Begebenheiten um die Mecklenburger Südbahn wach gehalten werden und für die Nachwelt konserviert werden.